Europa muss sich schämen

Gerd Nier

Man kann sich nur noch schämen für dieses Europa und die meisten seiner Politiker/innen | Da sind in der letzten Woche wieder hunderte oder eher gar tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer ertrunken; wie viele auf ihrem Weg bis zur nordafrikanischen Küste vor Erschöpfung gestorben sind, verschleppt und ermordet wurden, weiß keiner von uns auch nur ansatzweise zu beziffern...

Man kann sich nur noch schämen für dieses Europa und die meisten seiner Politiker/innen

Da sind in der letzten Woche wieder hunderte oder eher gar tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer ertrunken; wie viele auf ihrem Weg bis zur nordafrikanischen Küste vor Erschöpfung  gestorben sind, verschleppt und ermordet wurden, weiß keiner von uns auch nur ansatzweise zu beziffern.

Und was machen unsere Spitzenpolitiker/innen in Europa und der Bundesrepublik? Sie beschäftigen sich nicht etwa vorrangig mit der Frage: 'Wie kann man diesem Elend begegnen, wie kann man diesen Menschen helfen? Was kann man tun, damit nicht weiterhin Woche für Woche hunderte oder gar tausende von Flüchtlingen auf ihrem Weg nach Europa umkommen?'

Nein, da überweist Herr Cameron lieber etliche Millionen aus London nach Paris, damit in Calais die Stacheldrahtzäune noch höher und flächendeckender gebaut werden können und die Überwachung am Tunnel mit noch mehr Polizisten und demnächst vielleicht auch mit Militär 'effizienter' wird.

Klar doch, die ehemalige Kolonialmacht, die große Teile des afrikanischen Kontinents ausgebeutet hat und die immer noch verdient an Waffenexporten und Billigstimporten von Rohstoffen über ihre Firmen und Lizenzinhaber in Afrika verweigert jede Verantwortung und Hilfe und igelt sich statt dessen ein. Und die anderen europäischen Drittstaaten lassen Italien, Griechenland und weitere Mittelmeerländer weitgehend allein mit den Menschen, die es geschafft haben, Europa lebend zu erreichen.

Statt gemeinsame Konzepte solidarischer Hilfe zu entwickeln und zumindest mittelfristig auch der Bekämpfung der  Fluchtursachen,  sinniert man bei uns z.B. darüber, ob man die Balkanländer und Rumänien, Bulgarien und Ungarn nicht zu sicheren Herkunftsländern erklären soll, damit man die von dort geflüchteten Sinti und Roma wieder zurückschicken kann. Abschieben in die Länder, in denen sie diskriminiert, schikaniert und rassistisch verfolgt wurden und werden.

Das Motto der meisten Politikerbeiträge in diesen Tagen heißt eher abschrecken statt helfen, abschieben statt beherbergen. Dieses insgesamt doch immer noch reiche Europa mit seinen 508 Millionen Einwohnern in der EU schafft es noch nicht einmal soviel Flüchtlinge zu versorgen, wie der kleine und arme Libanon mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern.

Wie wäre es denn, wenn sich die Bundesrepublik, die sich zwischenzeitlich doch wieder in der Rolle als Lehr- und Zuchtmeister in Europa gefällt, ein Beispiel dafür geben würde, dass nicht nur Banken, Schulden und Regeln im Focus ihres Interesses stehen, sondern auch Menschenrechte, Humanität und Solidarität auf ihrer Agenda stehen.

Mit dem Begriff des 'Fremdschämens' konnte ich bisher wenig anfangen - bei dieser menschenverachtenden Politik in Europa erschließt er sich mir aber doch immer mehr.