Die besondere Sehkraft etlicher deutscher Polizisten, besonders auch in Göttingen

Gerd Nier

Man muss schon eine spezielle Wahrnehmungsfähigkeit besitzen, wenn man bei den vorliegenden Videoaufnahmen der massiven Übergriffe von Polizisten auf einen Ordner bei der Demonstration im Dezember 2017 in Göttingen keine Unverhältnismäßigkeit, keine exzessive Gewaltanwendung, keinen Missbrauch des Gewaltmonopols erkennen kann. Man muss mittlerweile schon mehr als naiv sein, wenn man noch an das Prinzip der Objektivität glaubt, wenn in Göttingen in diesem Zusammenhang Polizisten gegen Polizisten ermitteln.

Und es fällt immer schwerer; dem Bild der Polizei als „ deinem Freund und Helfer“ und Staatsschützer noch uneingeschränkt Folge zu leisten, wenn sich Freundschafts- und Chatgruppen z.B. mit dem Namen NSU 2.0 in Polizeikreisen zusammenfinden, offen Rechtsradikale Parolen und Morddrohungen seit mehreren Jahren in Umlauf setzen und erst jetzt auffliegen. Es fällt so langsam immer schwerer, den offiziellen Verlautbarungen zu glauben, es handele sich hierbei lediglich um völlig vereinzelte Vorkommnisse. Es gäbe keinen falschen Corpsgeist in der Polizei, keine Tendenz „eines Staats im Staate“ und keiner Beeinträchtigung der Sehkraft auf einem Auge. Ebenso wie die vielen Polizisten in ihrem täglichen Einsatz für sich mit Recht beanspruchen; vor unberechtigten Beschimpfungen, Beleidigungen und Angriffen geschützt zu werden, muss aber auch der Anspruch der Zivilgesellschaft gelten, vor ungerechtfertigten gewalttätigen Übergriffen und vor anscheinend abgesprochenen und wahrheitswidrigen Aussagen etlicher dieser Staatsdiener geschützt zu werden. Damit werden Feinbilder nur weiter verstärkt und eine Deeskalation rückt in immer weitere Ferne.