Dokumentiert: Spaltung abwenden! Zukunft der Partei Die Linke. Gastkommentar (jW 12. August 2023)

Sören Pellmann

Mit der Ankündigung des Nichtantritts von Amira Mohamed Ali für den Fraktionsvorsitz der Linke-Bundestagsfraktion wurde eine neuerliche Debatte in Gang gesetzt, welche Zukunft Die Linke hat. Amira begründet ihre Entscheidung – grob gefasst – mit dem Umgang mit Sahra Wagenknecht. Ich bedauere Amiras Entscheidung und nehme sie zum Anlass, zum wiederholten Male die innerparteiliche Diplomatie anzurufen. Wir werden diese existentielle Parteikrise nur durch die Entpersonalisierung und Versachlichung der Debatte zwischen den sogenannten Flügeln und deren exponierten Persönlichkeiten lösen können. Es geht um einen Ausgleich im Sinne einer gestärkten Linken.

Wie kann das scheinbar Unmögliche gelingen? Mein Vorschlag eines Parteikonvents, bestenfalls im August, wurde ja bereits durch die Parteivorsitzende aufgegriffen. Das freut mich, zumal jedes Dialogforum mittlerweile ein Fortschritt ist. Dieser Konvent sollte möglichst eine hybride Präsenzveranstaltung sein, zu der die Abgeordneten aus der Bundestagsfraktion, Vorsitzende bzw. Mitglieder des Partei-, der Landes- und der Kreisvorstände eingeladen sind. Binnen weniger Tage eine solche Großveranstaltung – in der Ferienzeit – organisatorisch auf die Beine zu stellen, ist ambitioniert, aber notwendig.

Schwieriger ist die inhaltliche Rahmensetzung. Gelingt es zuvor, dass im klassisch diplomatischen Sinne zwischen den Strömungen und Zusammenschlüssen Sondierungsrunden stattfinden, so dass ein Fahrplan für den Parteikonvent erstellt werden kann? Wer ist in der aktuellen Situation innerhalb der Linken noch in der Lage, als Moderation zu fungieren? Es ist viel verlangt von Janine und Martin, von Amira und Dietmar, von Gesine, Sahra, Gregor und weiteren. Aber die aktuelle Lage zwingt uns, dass wir das Gemeinsame ergründen. Eine Spaltung gilt es abzuwenden, sie würde den politischen Konflikt nicht aufheben, sondern verlagern mit der Gefahr, dass wir uns in die lange Reihe gescheiterter linker Parteien in Europa einreihen.

Aber es geht auch anders, und das sollte uns motivieren! Die Partei der Arbeit in Belgien war vor 20 Jahren fast in der Bedeutungslosigkeit angelangt und stand kurz vor dem Verschwinden. Erst ein Parteikongress leitete damals die Wende ein: Die Partei stellte die Interessen der breiten Mehrheit ins Zentrum und steht heute fest verankert im belgischen Parteienspektrum. Auch die KPÖ ist ein gutes Vorbild.

Wir haben gerade neben allen Krisen ein großes Problem, wir haben wenig Zeit – also nutzen wir sie! Alle Gesprächsrunden der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass wir durchaus wohlwollend in den Dialog treten können. Es fehlt eigentlich nur die direkte Kommunikation zwischen den zentralen Personen. Das gilt es nachzuholen. Ich hoffe, dass es uns gelingt und wir gemeinsam an der Zukunft unserer Partei arbeiten werden – trotz alledem!

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