Die bösen Russen und die gute NATO?

Gerd Nier

Fast täglich kann man in den meisten unserer Medien hören und lesen, wie wichtig es ist, dass die NATO-Mitgliedsstaaten ihre Rüstungsausgaben deutlich erhöhen müssen. Sicherheitspolitik heißt für die zitierten Politiker und Militärs des NATO-Verbundes Nachrüsten und Aufrüsten.

 Zur Begründung werden dabei immer wieder „Putins Machtspiele“, „russische Expansionsgelüste“ und „strategische Erfordernisse“ angeführt.

Neuestes Beispiel: Weil Russland angeblich „seine Aktivitäten unter Wasser verstärkt“,  freuen sich westliche Hightechfirmen über milliardenschwere Aufträge für Kampfroboter, die gestützt auf künstliche Intelligenz U-Boote ins Visier nehmen können. Der Ausbau der westlichen U-Boot-Flotte soll ausschließlich dem Schutz der Baltischen Staaten gegenüber russischen Expansionsgelüsten dienen. Gleiches gilt für die Stationierung von US-Raketen-Basen in Polen und Rumänien. Nach Ansicht des polnischen „Verteidigungsministers“ Czaputowicz kann „der Frieden in Europa nur durch US-Nuklearwaffen“ gesichert werden.

Wer heizt denn hier an? Wie soll man denn die NATO-Osterweiterung anders benennen denn als expansiv? Wer hat denn den INF-Vertrag über nukleare Abrüstung gekündigt?

Wer fordert denn eine konzertierte Erhöhung der militärischen Präsenz im Chinesischen Meer? Die Zahlen des Internationalen Friedensinstituts in Stockholm (SIPRI) über die Rüstungsausgaben 2018 geben einen klaren Einblick in die sogenannte Waffengleichheit. Danach liegen die USA mit 36% aller weltweiten Militärausgaben weit an der Spitze. Und selbst Frankreich, das doch nur eines von 28 EU-Mitgliedsländern ist, ist mit einem Etat von etwa 3,5 % der weltweiten Ausgaben noch fast auf gleicher Höhe mit den russischen Rüstungsausgaben. 649 Milliarden Dollar der USA standen 61,4 Milliarden Dollar Russlands laut SIPRI 2018 gegenüber. Statt die Stimmung immer weiter anzuheizen, statt alte Feindbilder zu reaktivieren, sollten sich Deutschland und Europa aus der Umklammerung und Bevormundung durch die US-Administration lösen. Die NATO und ihre Strategie sollten ernsthaft überprüft und in Frage gestellt werden. Ziel sollte vielmehr eine europäische Friedenspolitik unter Einbeziehung von Russland sein. Säbelrasseln und die einseitige Verteufelung Russlands ist das Letzte, was wir gebrauchen können.

(Kommentar von Gerd Nier, Göttingen)