Göttinger Freiflächen-Photovoltaik - Organisierte Verantwortungslosigkeit

Göttinger Linke

Die Göttinger Linke Ratsfraktion kritisiert die Pläne der Verwaltung, mehrere 100 Hektar Photovoltaik auf Freiflächen, also auf vorher landwirtschaftlich genutzten oder bisher nicht versiegelten Flächen im Stadtgebiet, zu installieren. Mit einem Antrag zur kommenden Ratssitzung fordert die Fraktion die Verwaltung auf, solche Installationen nur vorzunehmen, wenn im Vorfeld Antworten auf die Speicherproblematik gegeben sind.

Der umweltpolitische Sprecher und Fraktionsvorsitzende Edgar Schu wirft der Verwaltung vor, vernünftige Konzepte für erneuerbare Energien, wie etwa die des Fraunhofer-Instituts ISE in Freiburg, auf den Kopf zu stellen: „Photovoltaik sollte verbrauchernah auf Dächern und anderen sowieso schon versiegelten, siedlungsnahen Flächen wie Parkplätzen usw. installiert werden. Dann ist mit dezentralen Speichern, Wärmepumpen und Ladestationen für Elektromobilität die Speicherlösung bereits vor Ort mit wenig weiterer Infrastruktur realisierbar. Notwendige Ausbaufortschritte auf diesem Gebiet sind aber seit vielen Jahren in Göttingen verschlafen worden. Für die sonnenarme Zeit benötigt die Energiewende vor allem einen kräftigen Ausbau mit modernen, leistungsfähigen Windrädern, deren Stromproduktion auch in den kälteren Jahreszeiten läuft.“

Die durch Stadtwerke und -verwaltung verfolgte Strategie ist aber eine gänzlich andere: Man will nicht selbst für Speicher sorgen, sondern den Spitzenlaststrom der geplanten, riesigen PV-Farmen ins Netz einspeisen, damit die Probleme wie von Zauberhand an irgendeinem anderen Ort durch andere Akteure, etwa durch Elektrolyse, gelöst würden.

Das Problem muss jedoch genau betrachtet werden: Strom ist transport- und infrastrukturfähig, also mit üblichen Endverbrauchsgeräten direkt nutzbar, er ist jedoch kaum speicherfähig. An dieser Stelle kommt das Konzept ins Spiel, durch Elektrolyse von Wasser den so gewonnenen Wasserstoff als Energiespeichermedium zu nutzen. So einfach ist aber auch das nicht: Wasserstoff ist nämlich als solcher weder transport- noch infrastruktur- noch speicherfähig. Er muss, sobald er hergestellt ist, in einem weiteren Schritt, nach heutigem Stand der Technik durch Methanisierung, in sowohl speicher- als auch transport- sowie infrastrukturfähiges Erdgas oder in Ammoniak für die Grundstoffindustrie verwandelt werden. Genau deswegen hat die EU offenbar im Rahmen ihrer Taxonomie beschlossen, dass Erdgas als Energieträger gefördert werden soll. Sowohl der Schritt der Elektrolyse von Wasser als auch der der Methanisierung bzw. Umwandlung des gewonnenen Wasserstoffs in Ammoniak ist jedoch ohne massive Verschwendung von Ressourcen und hohe Kosten nur mit Grundlaststrom möglich, also mit im Wesentlichen kontinuierlich geliefertem Strom. Auf keinen Fall sind diese Prozesse mit PV-Strom wirtschaftlich umsetzbar, der nur für ca. 1.000 von rund 8.800 Volllaststunden, die das Jahr hat, zur Verfügung steht. Dieses mit riesigen Freiflächen-PV-Anlagen in die Welt gesetzte, dann aufgrund von naturgesetzlichen Zusammenhängen bestehende Problem löst sich aber nicht, wenn man es an höhere Stellen delegiert.

Schu stellt abschließend fest: „Die Verwaltung hat im Auftrag der Stadtwerke unsere Anfrage zur Ratssitzung am 18.11. dahingehend beantwortet, dass die vorliegenden ungelösten Probleme nach heutigem Kenntnisstand ‚auf Bundesebene‘ gelöst werden würden. Angesichts solcher zur Schau getragener, organisierter Verantwortungslosigkeit hilft nur noch Satire und Provokation: Die Leute in der Stadt, die Wissen schafft, wissen nicht, wie man's schafft. Vielleicht gibt es ja andere Städte mit Eliteuniversitäten, die wissen, wie man's schafft."
 

Quellen:

Zum Antrag der Göttinger Linke Ratsfraktion:
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=25150

Zur vorhergehenden Anfrage der Göttinger Linke Ratsfraktion:
https://ratsinfo.goettingen.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=24903

Zum Konzept des Fraunhofer Instituts ISE:
https://www.swr.de/wissen/odysso/waermepumpe-im-altbau-geht-das-100.html