Gastbeitrag: Aktionszug zum 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution unter dem Motto „Revolution statt Krieg“

Torsten Trentzsch, Mitglied im Vorstand des RFB

Vom 29.10.2017 bis zum 07.11.2017 war auf deutschen Straßen eine beeindruckende politische Kunstaktion anlässlich des 100. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution zu sehen.

Sie wurde von der internationalen Aktionseinheit „Revolution statt Krieg“ organisiert und durchgeführt, zu der das Aktionsbüro „Das Begräbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER“, der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken N/O, Gewerkschafter der IGM, die Agitproptruppe „Roter Pfeffer“, Mitglieder des Bertolt Brecht Jugendprojekts Bremen, die Kommunistische Partei Polens (KPP), der Klub des tschechischen Grenzlandes (Klub českého pohraničí), der Kommunistische Jugendverband Tschechiens (KSM) und die Prager Vereinigung „Soldaten gegen den Krieg“, kommunistische Parteien und Organisationen aus Russland und andere gehören.

Ich hatte, als Mitglied des Revolutionären Freundschaftsbundes (RFB), der ebenfalls Teil der Aktionseinheit ist, die Ehre und Freude, als Darsteller teilnehmen zu dürfen und möchte von dieser außergewöhnlichen Aktion berichten.

Der eigentliche Zug bestand aus sechs aufwändig gestalteten Fahrzeugen und entsprechenden Darstellern.

Die Spitze bildete ein kleiner LKW, der die aus der ersten Arbeiterrevolution hervorgegangene Pariser Kommune von 1871 repräsentierte. Auf der Ladefläche stand eine Kanone aus jener Zeit samt Geschützbedienung. Eine Kommunardin schwenkte stolz die Rote Fahne. Dazu erklang die Internationale. Darauf folgte das Symbol der Oktoberrevolution - der berühmte Kreuzer „Aurora“, der 1917 mit seinem Buggeschütz den Startschuss zum Sturm auf das Winterpalais gab. An Deck des mit Ideenreichtum und viel Liebe zum Detail nachgebauten Schiffes standen, mit Gewehr in der Hand, drei Rote Matrosen und ein Rotarmist. Von Bord schallte kraftvoll der Linke Marsch.

Nach der „Aurora“ folgte ein LKW W50 mit Anhänger. Auf der Ladefläche des W50 stand ein Traktor aus den Anfangsjahren der Sowjetunion, auf dem eine junge Traktoristin saß - die Darstellung des Russischen Wunders, des unglaublich erfolgreichen Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR. Auf dem Anhänger befand sich ein originalgetreuer Panzer T-34, der seinen Schöpfern zur Ehre gereicht. Neben dem Kommandanten, der auf dem Turm saß, trug der Panzer zwei bewaffnete Rotarmisten. Er stand für die erfolgreiche Verteidigung des Sozialismus und den Sieg des ersten sozialistischen Staates der Erde über den mörderischen Hitlerfaschismus. Akustisch wurde dies u.a. vom Lied „Der Heilige Krieg“ untermalt.

Die folgenden zwei LKWs trugen auf ihrer Ladefläche, eingerahmt von roten Fahnen, Genossinnen und Genossen mit Schalmeien und Bildern von herausragenden Persönlichkeiten der kommunistischen Weltbewegung. Ihre Agitation bestand aus Sprechchören, Musik, Gesang und kurzen Ansprachen. An den Fahrzeugen waren ausgewählte Zitate zum Thema zu lesen.

Den Abschluss bildete ein weiterer, mit roten Fahnen bestückter W50, auf dessen Ladefläche ein großes Bild der „Aurora“ zu sehen war - darüber der Text „100 Jahre Oktoberrevolution 2017“.

Nur wer den Zug gesehen hat, kann erahnen, welcher Aufwand betrieben, wie viel Arbeit investiert wurde, um diesen Zug, vom Fahrzeug bis zur Requisite, zusammenzustellen.

Ursprünglich sollte der Zug zum 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Leningrad zu sehen sein. Ausgangspunkt war ein entsprechender Beschluss der Aktionseinheit im September 2015 in München. Auf dieses Ziel wurde dann vom Aktionsbüro circa zwei Jahre (!) in mühevoller Kleinarbeit hingearbeitet.

Neben den handwerklichen, technischen Aufgaben (Fahrzeuge, Requisiten) stand vor allem die Aufgabe, rechtliche und organisatorische Fragen zu klären. Wie bekommt man Teilnehmer und Ausrüstung nach Leningrad? Welche Zollbestimmungen sind dabei zu berücksichtigen? Darf man in Russland überhaupt solch eine Aktion durchführen? Wenn ja, was ist dabei zu beachten? Dies sind nur einige wenige Beispiele für Fragen, die es zu klären galt. Es wurde klar, dass man Bündnispartner in Russland benötigt. Diese mussten gefunden und kontaktiert werden und und und.

Letztendlich wurde das Ziel, mit dem Zug in Leningrad zu sein, trotz großer Anstrengungen des Aktionsbüros nicht erreicht. Alle Vorbereitungen waren erfolgreich abgeschlossen. Die Wagen und deren Aufbauten waren fertig, der Transport der Genossinnen und Genossen und der Aufbauten nach Leningrad war geklärt usw. Es gab Genossen vor Ort, die die Aktion logistisch unterstützten. Das Einzige, was fehlte, waren die zwingend notwendigen Einladungen von einer russischen Organisation. Ohne eine solche Einladung ist die Einreise nach Russland zwecks Durchführung einer solchen politischen Aktion schlicht nicht möglich. Keine der angesprochenen russischen Organisationen sah sich dazu imstande, die benötigten Einladungen zur Verfügung zu stellen, auch die Duma-Partei KPRF nicht. Somit musste das Ziel Leningrad leider aufgegeben werden.

Das Ziel, die Oktoberrevolution auf die Straße zu bringen, wurde allerdings nicht aufgegeben. Es galt nun, den Zug auf deutsche Straßen zu bringen. Fleißige Genossinnen und Genossen planten die Strecken, kümmerten sich um die Anmeldungen, verteilten im Vorfeld Flugblätter und Plakate, um die Aktion publikzumachen und dafür zu mobilisieren, organisierten Übernachtungen und vieles mehr. Es wurden zigtausende (!) Flugschriften gedruckt, Kostüme zusammengestellt, Lieder einstudiert usw.

Am 29.10.2017 ging es dann in Hamburg los. Der Zug setzte sich, begleitet von Polizei und mehreren Unterstützungsfahrzeugen, in Bewegung und entfaltete sich auf der Straße. Mehrere Tage waren wir in Hamburg unterwegs, u.a. an den Landungsbrücken, vor der Elbphilharmonie, in St. Pauli, am Hauptbahnhof und am Rathausmarkt. Bewundernswert war dabei nicht zuletzt die Leistung unserer Kraftfahrer, die den Konvoi souverän auch durch engste Straßen bewegten.

Auch an der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte wurde Halt gemacht und wir wurden von deren Leiter herzlich empfangen. Während der Besichtigung der Ausstellung äußerte ein anwesender Genosse der SDAJ, man könne heutzutage nicht mit roten Fahnen vor einen Betrieb gehen. Da werde man erschlagen. Dass dem nicht so ist, haben viele der Teilnehmer der Aktion bei anderen Gelegenheiten und Aktionen schon oft bewiesen. Auch mit diesem Aktionszug wurde diese Feststellung widerlegt, aber dazu später.

Das beeindruckendste Erlebnis in Hamburg war für mich die Fahrt durch den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Die werde ich wohl nie vergessen. Die Freude der Menschen dort über unser Erscheinen, die roten Fahnen, die Internationale, die aus den Lautsprechern erklang, war so grandios und überwältigend, dass ich mit Tränen in den Augen zu kämpfen hatte. Viele Menschen zeigten die geballte Faust zum Gruß oder winkten euphorisch aus Fenstern und vom Gehweg. Während eines Stopps an einem zentralen Platz wurden zusammen Lieder der Arbeiterbewegung gesungen und gemeinsame Sprechchöre schallten durch die Straßen.

Einen Tag später nahmen wir Abschied von Hamburg und brachen auf nach Bremen. Während dieser Fahrt saß ich auf der Ladefläche eines W50 und hatte die nachfolgenden Fahrzeuge unseres Konvois im Blick. Es war ein toller Anblick - LKWs mit wehenden roten Fahnen sausten über die Landstraße.

An der Stadtgrenze Bremens angekommen wurde der Zug sofort wieder vom Überführungsmodus in seinen normalen Zustand versetzt und mit allen Darstellern besetzt. Die (fast schon militärisch zu nennende) Disziplin und Professionalität, die die Genossinnen und Genossen dabei an den Tag legen, beeindruckte und beeindruckt mich immer wieder. Nach wenigen Minuten konnte die Einfahrt nach Bremen starten.

Auch in Bremen war der Aktionszug mehrere Tage unterwegs. Wir standen u.a. vor Schulen und vor dem Bremer Mercedes-Benz-Werk. Selbst die bürgerliche Presse und das Fernsehen konnten uns nicht ignorieren. Unsere Verteiler brachten hunderte Flugschriften unter die Leute und sammelten Spenden für die Finanzierung der Aktion. Und es gab nicht wenige Menschen, die bereit waren, ihr Portemonnaie zu öffnen und uns so zu unterstützen. Das gilt auch für die anderen zwei Städte, in denen wir unterwegs waren.

Leider konnte die Strecke von Bremen nach Berlin, unserer letzten Station, nicht wie geplant als Aktionszug zurückgelegt werden, denn das Land Brandenburg, das wir durchfahren mussten, machte uns Auflagen, denen wir nicht nachkommen wollten und konnten. So wurde u.a. gefordert, dass wir uns nicht schneller als mit Schrittgeschwindigkeit durch Brandenburg bewegen.

Bis zur letzten Minute versuchte die Zugleitung, diese Auflagen auf dem Rechtsweg zu kippen und gegen die Einschränkung der Kunstfreiheit vorzugehen - vergebens. Was in einem Bundesland rechtens und erlaubt ist, ist in einem anderen Bundesland noch lange nicht zulässig. Und so wurde entschieden, dass der Aktionszug in Bremen verschwindet und erst in Berlin wieder auftaucht.

Gesagt, getan, am Morgen des 05.11.2017 stand der Aktionszug im Herzen Berlins, in Friedrichshain, bereit zur Abfahrt. Auf Kommando der Zugleitung setzte sich der Zug in Bewegung.

Wie bereits in Hamburg und Bremen waren wir auch in Berlin von früh bis spät auf den Straßen präsent. Wir machten in den Tagen vom 05.11.2017 bis zum 07.11.2017 u.a. Halt am Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten und legten Blumen nieder, statteten dem Karl- Liebknecht-Haus einen Besuch ab, standen auf dem Alex und am Brandenburger Tor, waren auf der Karl-Marx-Allee unterwegs und und und.

Auch in Berlin stießen wir auf viel Zustimmung und Begeisterung. Passanten winkten und grüßten mit erhobener Faust.

Selbstverständlich gab es aber auch, wie in den anderen Städten, entschiedene Ablehnung, Beschimpfungen und Beleidigungen. Ein besonders ängstlicher Bürger erstattete sogar Anzeige, weil er sich durch die Theater-Waffen in unseren Händen bedroht sah. Außerdem sei er von uns beleidigt worden. Das ist auch eine Form von Klassenkampf.

Wir trafen auf Genossinnen und Genossen der KPD, die am Brandenburger Tor aus Anlass des großen Jubiläums auf der Straße ebenfalls Flagge zeigten. Einige von ihnen entschieden sich kurzerhand, ein Stück mit uns mitzufahren.

Am 07.11.2017, dem 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, fand die Straßenaktion am Brandenburg Tor mit einem lauten Schuss aus dem Buggeschütz der „Aurora“ ihren Abschluss - einem Schuss der vor 100 Jahren die Welt zum Besseren veränderte und heute Signal für einen neuen Anlauf zum Sozialismus sein sollte. Es gilt, sich zusammenzuschließen und aktiv zu werden.

Wir haben die Oktoberrevolution auf die Straße und zu den Massen gebracht und den Menschen gezeigt, welchen unglaublichen Fortschritt dieses Ereignis für die Menschheit bedeutete und dass die Oktoberrevolution uns auch heute den Ausweg aus Not, Unterdrückung und Krieg weist.

Eine Saalveranstaltung zu Ehren der Oktoberrevolution, die natürlich auch ihre Berechtigung hat, kann das nicht leisten.

Noch haben wir die Möglichkeit, mit einer roten Fahne auf die Straße zu gehen. Ein Blick nach Polen zeigt, dass sich das ganz schnell ändern kann. Die Genossinnen und Genossen dort haben deutlich schwierigere Kampfbedingungen.

In etlichen Medien wurde, wie bereits erwähnt, über den Aktionszug berichtet, selbst in Russland. Die verächtlichen Kommentare in einigen bürgerlichen Staats- und Konzernmedien dürften niemanden überraschen. Sie erfüllen nur die ihnen zugedachte Aufgabe.

Schade ist allerdings, dass das Echo in unserer Tageszeitung „junge Welt“ selbst hinter einigen Berichten in bürgerlichen Medien zurückblieb.

Wer noch nie an einer solchen Aktion teilgenommen hat, kann sich nicht vorstellen, welcher ungeheure Aufwand und wie viel Engagement hinter einem solchen Projekt steckt. Das geht bis zur nächtlichen Bewachung der Fahrzeuge. Aber es lohnt sich. Es ist schön zu erleben, was ein entschlossenes Kollektiv, bei dem Kameradschaft nicht nur eine leere Worthülse ist, alles auf die Beine stellen kann. Wer jetzt neugierig geworden ist und gern mehr wissen oder sehen möchte, findet weitere Informationen, Fotos, Videos, Kontaktadresse und die Abschlusserklärung auf der Internetseite des Aktionsbüros (www.himmlischevier.de oder www.klassenkampf-statt-weltkrieg.de).

Vielleicht ist der oder die eine oder andere bei der nächsten Aktion mit dabei.

Torsten Trentzsch, Meißen
Mitglied des Vorstandes des RFB