Nein zum Brüsseler Knebelvertrag!

Gerd Nier und Heino Berg

Griechenland braucht Solidarität statt Erpressung, Respekt statt Demütigungen und Schuldenschnitt statt Kürzungen und Privatisierungen. | Selbst konservative Ökonomen warnen mittlerweile vor der Fortsetzung der Austeritätspolitik in Griechenland und sehen darin lediglich eine Fortführung und Zementierung der Krise. Gerade den abschätzigen Kommentaren aus deutschen Politikerkreisen, der weitgehend einseitigen ...

Griechenland braucht Solidarität statt Erpressung, Respekt statt  Demütigungen und Schuldenschnitt  statt Kürzungen und Privatisierungen.

Selbst konservative Ökonomen warnen mittlerweile vor der Fortsetzung der Austeritätspolitik in Griechenland und sehen darin lediglich eine Fortführung und Zementierung der Krise. Gerade den abschätzigen Kommentaren aus deutschen Politikerkreisen, der weitgehend einseitigen Berichterstattung der meisten Medien und den dadurch beförderten Stammtischparolen in größeren Teilen der deutschen Bevölkerung muss endlich mal der Spiegel vorgehalten werden. Ohne Schuldenschnitt, ohne großzügige Stundungen, ohne Marshallplan wäre die Bundesrepublik wirtschaftlich nie so schnell wieder 'auf die Beine gekommen', wie dies der Fall war. Gregor Gysi sagte in der Debatte am 17. Juli mit Recht dazu: 'Darüber sollten wir vielleicht einmal nachdenken, statt so zu tun, als ob wir in unserer Geschichte alles allein gemeistert hätten.'

So musste dann auch das Ministerium des  Hardliners Schäuble auf eine Anfrage von Gesine Lötsch (MdB DIE LINKE) bescheinigen, dass von den errechneten Reparationskosten nach dem Ersten Weltkrieg von 138 Milliarden Goldmark je nach Lesart 21,8 höchstens aber 67,7 Milliarden getilgt wurden. Die deutschen Vor- und Nachkriegsschulden nach dem Zweiten Weltkrieg auf werden auf 28,5 Milliarden D-Mark geschätzt. Der Wegfall von Zinseszinsen, die Vereinbarung minimaler Zinsen und die Aufgabe des Goldstandards ersparte Deutschland 6,2, Milliarden D-Mark. Ein Schuldenschnitt über 8 Milliarden D-Mark sorgte für weitere spürbare Entlastung. Der Marshallplan im heutigen Gegenwert von 100 Milliarden Dollar  erleichterte den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Produktivkräfte.

Und heute spielen sich Schäuble und Merkel, aber auch Gabriel und weitere SPD-Granden zu hämischen und gnadenlosen Lehrmeistern auf, denen die Rückzahlung von Krediten, mit denen nur die Banken gerettet wurden, wichtiger sind als die Lebensbedingungen der einfachen Menschen in Griechenland. Der Begriff Solidarität ist aus ihrem Vokabular getilgt. Sie geben vor, wie Europa auszusehen hat, unbarmherzig, kalt und nach den Profitmaßgaben des ökonomisch Stärkeren. Sie wollen ein Europa der Banken und Konzerne.

Bei den Brüsseler Verhandlungen über ein neues Kreditpaket, mit dem sich die neue griechische Regierung zur Fortsetzung der neoliberalen Kürzungspolitik ihrer Vorgänger verpflichten soll, haben die von Merkel und Schäuble geführte EU zusammen mit IWF und EZB der Regierung Tsipras das Messer an den Hals gehalten.

Ausgerechnet eine Syriza-geführte Regierung, die im Januar zur Beendigung der verheerenden Austeritätspolitik sowie der Zusammenarbeit mit der Troika ins Amt gewählt  und beim Referendum mit einem klaren 'Oxi' gegen das Schuldendiktat der 'Institutionen' beauftragt wurde, soll finanziell erwürgt und mit der Drohung eines Bankenzusammenbruchs in ein Werkzeug eben dieser Troika verwandelt werden.

Die Regierung Tsipras hat sich gegen den Widerstand vieler Syriza-Abgeordneter und mit Unterstützung der Kürzungsparteien PASOK und Nea Demokratia für eine Kapitulation vor diesen Erpressungen entschieden. Wenn es dabei bleibt, wird Griechenland faktisch in ein „Protektorat“ der undemokratischen und kapitalistischen EU-Kommissionen verwandelt. Die mit dem Aufstieg von Syriza verknüpften Hoffnungen auf ein Ende der Austeritätspolitik in Europa sollen dadurch in den Staub getreten und sozialistische Alternativen im Keim erstickt werden.

Es war dringend notwendig, dass die Abgeordneten der LINKEN im Bundestag im Unterschied zur Februar-Abstimmung dieses Ultimatum von Merkel, Schäuble und Gabriel abgelehnt und damit jede Beteiligung unserer Partei an diesem kalten 'Staatsstreich' zurückgewiesen haben. Wir haben uns auch in Göttingen öffentlich und auf der Strasse für die Unterstützung des 'Oxi' beim Referendum eingesetzt. Wir sind auch weiterhin solidarisch mit allen Menschen in Griechenland und in Syriza, die den Widerstand gegen die Austeritätspolitik fortsetzen und sich für die Respektierung demokratischer Volksabstimmungsergebnisse einsetzen wollen.

Wir bekräftigen den Beschluss der Göttinger Kreismitgliederversammlung vom 29.6. und schlagen vor, zur Diskussion über die weitere Solidarität mit Griechenland zeitnah eine Versammlung des Landesverbandes mit den niedersächsischen Bundestagsabgeordneten einzuberufen:
'Die LINKE KV Göttingen begrüßt den Aufruf der griechischen Regierung, am 5.7. mit Nein zu stimmen und der Bevölkerung keine weiteren Opfer für die Rettung der Banken und nicht-privaten Finanzinstitute zuzumuten, auch wenn der notwendige Schuldenschnitt mit dem Verbleib in der Eurozone unvereinbar sein sollte.'