Gegen eine selektive Instrumentalisierung von Minderheiten im Ukrainekonflikt

Peter Strathmann (AG Ethnische Minderheiten)
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Gegen eine selektive Instrumentalisierung von Minderheiten im Ukrainekonflikt

 

Eine Antwort auf den Beitrag: „Zur Lage der Minderheiten in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten“1

 

Minderheitenrechte sind unteilbar und unverhandelbar. Das gilt für Rußland oder die neurussischen Volksrepubliken ebenso wie etwa für die Ukraine oder den Rest der Welt. Und damit sind homophobe Regierungsmaßnahmen auf der Krim oder in der Volksrepublik Lugansk ohne Abstriche zu verurteilen, und das ganz unabhängig davon, wie auch immer sich die diesbezügliche Politik des faschistisch-liberalen Regierungsbündnisses in Kiew entwickeln mag. Hier dürfte unter fortschrittlichen Kräften kein Dissens bestehen.

Peter Strathmann (AG Ethnische Minderheiten)

Gegen eine selektive Instrumentalisierung von Minderheiten im Ukrainekonflikt

Eine Antwort auf den Beitrag: „Zur Lage der Minderheiten in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten“[1]

Minderheitenrechte sind unteilbar und unverhandelbar. Das gilt für Rußland oder die neurussischen Volksrepubliken ebenso wie etwa für die Ukraine oder den Rest der Welt. Und damit sind homophobe Regierungsmaßnahmen auf der Krim oder in der Volksrepublik Lugansk ohne Abstriche zu verurteilen, und das ganz unabhängig davon, wie auch immer sich die diesbezügliche Politik des faschistisch-liberalen Regierungsbündnisses in Kiew entwickeln mag. Hier dürfte unter fortschrittlichen Kräften kein Dissens bestehen.

Ebensowenig kann über folgendes, leider auch in obigen Ausführungen nicht beachtetes Ereignis aus der Sicht einer progressiven Minderheitenpolitik Uneinigkeit bestehen: Am 6. und 7. Juli fand in Jalta eine internationale Konferenz unter dem Motto „Die globale Krise und der Widerstand in der Ukraine“ statt.[2] An dieser Konferenz nahmen VertreterInnen von ukrainischen Organisationen aus dem Raum Donezk und Lugansk, aus Kiew und aus dem karpatischen Süd-Westen sowie BesucherInnen aus den USA, aus Kanada, Schweden, England, Österreich, Deutschland und Rußland teil. Angesichts der mit Mordbrennerei, neoliberalen „Reformen“  und einer forcierten Ukrainisierungspolitik verbundenen Eskalation durch das Maidan-Regime verabschiedete diese Konferenz ein „Manifest der Volksbefreiungsfront der Ukraine, Neurußlands und der russischen Karpaten“.[3] Neben der Absichtserklärung des Aufbaus eines künftigen ukrainischen Staates von unten nach oben und des gemeinsamen Handelns auf dem gesamten Territorium der Ukraine findet sich auch eine klare multiethnische Bestimmung der Ukraine und ihrer Bevölkerung: „Die Ukraine ist ein Territorium zwischen der Europäischen Union und Russland mit einer starken christlichen Tradition (vor allem orthodox), besiedelt von verschiedenen Völkern (Ukrainern, Russen, Weißrussen, Moldawiern, Bulgaren, Ungarn, Rumänen, Polen, Juden, Armeniern, Griechen, Tataren, Rusinen, Huzulen und anderen), das eine Jahrhunderte alte Tradition der Selbstverwaltung des Volkes und des politischen Kampfes für seine Freiheit hat.“ So etwa sieht die Perspektive einer fortschrittlichen Minderheitenpolitik aus, auch wenn hier die damit verbundenen Hoffnungen unter den Panzerketten der militärischen Eskalation zu Staub wurden.

Nun bedeutet die unbedingte Anerkennung von Minderheitenrechten keinen Freibrief für sämtliches politisches Handeln. Um zwei krasse Bespiele anzuführen: Ein schwuler Nazi wie Michael Kühnen und ein niederdeutschsprechender wie Hans Kummerfeld bleiben doch beide Nazis; wenn ich sie als solche bekämpfe, taste ich nicht automatisch ihre Minderheitenrechte an. Ähnlich muß auch Mustafa Abdülcemil oğlu Cemilev als Vertreter der krimtatarischen Minderheit beurteilt werden, im übrigen der einzigen ethnischen Minderheit, die in obigen Ausführungen Erwähnung findet. Diesem wurde die Wiedereinreise auf die Krim durch russische Behörden verweigert, nachdem er zuvor in Brüssel die NATO um militärisches Eingreifen auf der Krim ersucht hatte.[4] Man möge nun selbst entscheiden, ob hier eine gezielte Verletzung von Minderheitenrechten oder ein Sicherheitsargument für die russische Seite das Movens des Handelns war. Eine Mißachtung der Minderheitenrechte der übrigen Ethnien auf dem Territorium der Ukraine beinhaltet das eigenmächtige und rücksichtslose Vorgehen Cemilevs allemal!

Daß es weiter ausschließlich die krimtatarische Minderheit ist, die sich in den heimischen Medien einer so großen Beliebtheit erfreut, ist keineswegs zufällig. Der maßgebliche Grund hierfür liegt in der Tradition der deutschen „Volksgruppenpolitik“, die die selektive Pflege einzelner außerhalb Deutschlands ansässiger Ethnien zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele hat. Diese bereits auf die Gründungsphase des 2. Kaiserreichs zurückgehende Politik ist gut belegt und untersucht.[1] Sie war konsequenterweise auch immer mit einer Repression gegenüber den innerhalb Deutschlands lebenden Minderheiten verbunden.[2] Eine der „Hätschel-Minderheiten“ dieser deutschen Großmachtpolitik als Fuß in der Tür nach Osten war allerspätestens ab dem Ersten Weltkrieg die der Krimtataren.[3] Zur Illustration des schwierigen Verhältnisses Rußlands zu dieser Minderheit muß man also nicht Stalin wie Kasper aus der Kiste springen lassen.

Obige selektive Sicht auf die ukrainische Minderheitenproblematik ist nicht deshalb so bedenklich, weil sie die Minderheitenrechte im Einflußbereich Rußlands verteidigen will, sondern weil sie mit den Instrumentalisierungen dieser Minderheiten durch eine imperialistische Außenpolitik Deutschlands konform geht. Wenn dann noch zumindest unpräzise Propagandafloskeln wie „von Rußland besetzte ukrainische Gebiete“ bemüht werden, dient sich obige Position letztlich den Herrschenden in unserem Lande in ähnlicher Weise an wie vor gut einhundert Jahren die SPD, da hilft auch die beste persönliche pazifistische Redlichkeit nichts. Damals wie heute kann eine fortschrittliche Position – auch und gerade in bezug auf Minderheitenfragen – nur in die Formel Karl Liebknechts gefaßt werden:

„Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“

Quellen:

1) http://www.die-linke-goettingen.de/index.php?id=48608&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=3248394&tx_ttnews[backPid]=48606

2) http://www.kommunisten.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5111:internationale-konferenz-in-jalta-aufruf-zur-verteidigung-der-menschenrechte-in-der-sued-und-ostukraine-&catid=35:europa&Itemid=67

3)http://www.scharf-links.de/44.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=46105&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=cec3dc68e-%3Cbr%3Ec

4) http://de.wikipedia.org/wiki/Mustafa_Abduldschemil_Dschemilew

5) http://www.secarts.org/index.php?site=media&view=ebooks&id=107&

Hier ist der Artikel von Jörg Kronauer (German Foreign Policy) grundlegend.

6) Eine sorbische Sicht hierauf schildert Peter Jan Joachim Kroh in seinem Buch über Jan Skala „Nationalistische Macht und nationale Minderheit“, Berlin 2009. - Bevor es mir um die Ohren gehauen wird: Diese Literaturangabe bedeutet keine Ausstellung eines Persilscheins für alle Veröffentlichungen des Kai Homilius Verlages!

7) http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mitteleuropa_ENG_Leg_wielg%C3%B3rski.PNG